Kämpferisch, Angriffslustig und Streitbar

Kategorie: Montagsdemo und Hartz IV Archiv Veröffentlicht: Samstag, 03. November 2012 Geschrieben von Dirk Adamczak
Dirk Adamczak ist Montagsdemonstrant der ersten Stunde.
Dirk Adamczak ist Montagsdemonstrant der ersten Stunde.

von Dirk Adamczak, Mitglied von AUF Witten und Teilnehmer der Montagsdemo

Die bundesweite Montagsdemonstrationsbewegung hatte für den 6. Oktober zur 9. Herbstdemonstration gegen die Regierung aufgerufen. 1.000 Menschen sind zum Protest nach Berlin gekommen: Delegationen von vielen Montagsdemonstrationen aus ganz Deutschland, Industriearbeiter von Opel und Ford, aus den Stahlwerken und den Werften, Aktivisten aus Umweltinitiativen und der Anti-AKW-Bewegung, Mitglieder von Gewerkschaften, der Linkspartei, der MLPD, von Solidarität International, dem Frauenverband Courage und aus Migrantenorganisationen.

Solidarisch und International

„International gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf dem Rücken der Völker. Für eine lebenswerte Zukunft. Das Volk sind wir!“,

unter diesem Motto stand die Herbstdemonstration in diesem Jahr.

„Wir fühlen uns verbunden mit den Streiks und mächtigen Demonstrationen gegen die Krisenprogramme in vielen europäischen Ländern.“, so brachte Ulja Serway von der bundesweiten Koordinierung der Montagsdemonstrationen auf der Auftaktkundgebung die Solidarität mit den Streiks und Protesten in Griechenland, Spanien und Portugal zum Ausdruck.

Auch bei schlechtem Wetter wird demonstriert!
Auch bei schlechtem Wetter wird demonstriert!

Immer wieder werden von den Regierungen der EU-Länder neue Rettungsschirme aufgespannt. Hunderte Milliarden Euro stehen für die Rettung maroder Banken bereit.

Um das zu finanzieren, sollen die Menschen immer mehr soziale Einschnitte hinnehmen, werden die Löhne gekürzt und steigen die Lebenshaltungskosten.

So sind in Griechenland Arzneimittel und die medizinische Versorgung kaum noch bezahlbar, in Spanien ist mehr als die Hälfte der Jugendlichen arbeitslos.

In Deutschland verfügen inzwischen 10% der Reichsten über 53% aller Privatvermögen, die untere Hälfte dagegen nur über 1%. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander.

Hartz IV: eine Erfolgsstory?

Dieser Meinung ist jedenfalls Gerhard Schröder (SPD), unter dessen Kanzlerschaft die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze auf den Weg gebracht worden sind.

„Wir haben zwei Millionen Arbeitslose weniger im Vergleich zu 2005, als die Reformen umgesetzt wurden. Das ist ein Gewinn für die Gesellschaft, aber vor allem für die, die Arbeit gefunden haben und für ihre Familien“, so der Alt-Bundeskanzler.

Was für ein Hohn! Vergisst er die Menschen, die immer noch auf das Arbeitslosengeld II angewiesen sind?

4,5 Millionen müssen inzwischen von Hartz IV leben, ein Fünftel der Beschäftigten arbeiten heute im Niedriglohnbereich. Und das sieht Schröder als ein Gewinn für die Gesellschaft an?

Ist es denn ein Erfolg, wenn immer mehr Menschen Ein-Euro-Jobs aufgezwungen werden, auf 400 Euro-Basis arbeiten müssen, so wenig verdienen, dass ihr Lohn mit Hartz IV aufgestockt werden muss und immer mehr Leiharbeitsverhältnisse entstehen?

Auch das sind die Folgen der Hartz-Gesetze. Doch Schröder weist die Kritik zurück, dass Deutschland durch die Einführung von Hartz IV unsozialer geworden ist. Schließlich sei Solidarität keine Einbahnstraße. Wer arbeitet und Steuern zahlt, könne auch die Solidarität derer einfordern, die soziale Leistungen erhalten.

Heftige Kritik gab es auch am designierten Kanzlerkandidaten der SPD Peer Steinbrück, vertritt dieser Politiker doch die Auffassung, dass die Reformpolitik ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass Deutschland im vergangenen Jahrzehnt wieder wettbewerbsfähig geworden ist.

„Ich bin überzeugt, dass die Agenda einmal als eine der größten politischen Leistungen der Nachkriegszeit in die Geschichtsbücher eingehen wird.“

Transparent der Koordinierungsgruppe der Montagsdemos
Transparent der Koordinierungsgruppe der Montagsdemos

Und in einer Bundestagsrede im September 2008: „Die in den vergangenen Jahren ergriffenen Maßnahmen waren nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht richtig, sie haben auch zu mehr Teilhabe und deshalb zu mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft geführt.“

Genau das Gegenteil ist der Fall. Hartz IV macht die Arbeitslosen zu Menschen zweiter Klasse, grenzt sie aus vom kulturellen und gesellschaftlichen Leben. Von Gerechtigkeit kann da keine Rede sein.

Als die Regierenden vor 10 Jahren die Einführung der Hartz-Gesetze beschlossen hatten, hieß es, die Arbeitslosigkeit solle halbiert, die Sozialkassen saniert und ein lang anhaltender Wirtschaftsaufschwung herbeigeführt werden. Das waren alles nur leere Versprechungen!

Stattdessen steigt die Zahl der Menschen in Deutschland, die unter der Armutsgrenze leben, immer weiter an und die Reallohneinkommen sind seitdem enorm gesunken.

Um das schön zu reden, behauptet die Bundesregierung jetzt, dass die Hartz-Gesetze dazu beigetragen haben, dass Deutschland von der Weltwirtschaftskrise nicht so sehr betroffen sei, wie andere Länder Europas.

Was zukünftig auf die Menschen zukommen wird, wie sich die Lebensverhältnisse dramatisch verschlechtern werden, das wird natürlich bewusst verschwiegen.

Immer noch wird durch eine Krisendämpfungspolitik versucht, der Bevölkerung zu suggerieren, dass es uns doch relativ gut gehen würde.

In Europa wird Berlin jedoch immer mehr zum Scharfmacher, um eine gnadenlose Sparpolitik in anderen Ländern durchzusetzen - im Interesse der Banken und Konzerne.

„Wir sind doch alle Griechen, Spanier und Portugiesen“

Durch ein europaweit koordiniertes Krisenprogramm sollen die Folgen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise auf dem Rücken der Bevölkerung abgewälzt werden.

Die internationale Solidarität und die Organisierung des gemeinsamen europaweiten Widerstandes war deshalb ein besonderes Anliegen der diesjährigen Herbstdemonstration.

Begeistert wurde eine Delegation der griechischen Stahlarbeiter aus Aspropyrgos begrüßt, die in einem über 270 Tage langen Streik für ihre Arbeitsplätze gekämpft hatten.

Es sprach ein Vertreter der Bewegung „Sans Papiers“ aus Frankreich und der Protestmarsch der Flüchtlinge richtete solidarische Grüße an die Herbstdemonstration.

Auch die Gelsenkirchener Montagsdemo war mit von der Partie! Montag ist Widerstandstag!
Auch die Gelsenkirchener Montagsdemo war mit von der Partie! Montag ist Widerstandstag!

„Wir sind doch alle Griechen, Spanier und Portugiesen“ rief ein Redner auf der Abschlusskundgebung den Teilnehmern zu und machte deutlich, dass die Montagsdemonstrationsbewegung den gleichen Gegner hat, wie die kämpfenden Massen in Südeuropa.

Kämpferisch, stolz und selbstbewusst

Es war wieder eine beeindruckende und begeisternde Demonstration am 6. Oktober in Berlin - kämpferisch, angriffslustig und streitbar, mit vielen klaren Worten und überzeugenden Argumenten, die viel Zuspruch und Zustimmung unter den Passanten und der Bevölkerung gefunden haben.

Einig waren sich alle Teilnehmer der Herbstdemo darin, dass Hartz IV vom Tisch muss - ohne Wenn und Aber. Wir wollen nicht hinnehmen, dass diese volksfeindlichen Gesetze weiterhin umgesetzt werden - ganz egal, ob von einer schwarz-gelben oder einer rot-grünen Bundesregierung.

Mit kleinen Zugeständnissen und halbherzigen Erhöhungen der Regelsätze, wie zuletzt um 8 Euro, geben wir uns nicht zufrieden. Da reicht auch keine Generalrevision von Hartz IV, wie es die Vorsitzende der Linkspartei Katja Kipping forderte.

Und selbstverständlich beteiligte sich auch die Wittener Montagsdemo an der traditionellen Herbstdemonstration in Berlin.
Und selbstverständlich beteiligte sich auch die Wittener Montagsdemo an der traditionellen Herbstdemonstration in Berlin.

UmFAIRteilen?

Wir brauchen weitergehende Forderungen, als die Einführung einer Vermögenssteuer, die die Kampagne „Umfairteilen“ in den Mittelpunkt stellt. Werden mit den Einnahmen aus einer Vermögenssteuer dann wieder neue Rettungsschirme aufgespannt und das Geld fließt wieder den Banken und Konzernen zu?

Eine Umverteilung von oben nach unten wird es in einem System, in dem alles dem Profit untergeordnet ist, ohnehin nicht geben. Solange werden sich die Lebensverhältnisse der Menschen nicht ändern.

Wenn wir eine lebenswerte Gesellschaft mit Zukunft und Perspektive wollen, müssen wir selbst dafür eintreten. Kämpfen wir dafür! Schließen wir uns zusammen und gehen wir mit unseren Forderungen auf die Straße. Zeigen wir unsere Alternativen auf!

Machen wir den Montag zum Widerstandstag!

jeden Montag um 17.00 Uhr

an der Nordstraße,

gegenüber dem

Berliner Platz