Taksim ist auch in Wittten!

Kategorie: Internationale Solidarität Veröffentlicht: Samstag, 03. August 2013 Geschrieben von Hüseyin Çolak
Hüseyin Çolak ist selbst türkischer Herkunft und unterstützt den Protest in der Türkei.
Hüseyin Çolak ist selbst türkischer Herkunft und unterstützt den Protest in der Türkei.

von Hüseyin Çolak – Mitglied von AUF Witten

Am 28.6. führten Wittener türkischer Herkunft zusammen mit AUF Witten und anderen eine Solidaritätskundgebung vor der Stadtgalerie durch. Es ging um die Unterstützung des demokratischen Protestes in der Türkei, ca. 50 TeilnehmerInnen und etliche Passanten verfolgten interessiert die Diskussion am offenen Mikrofon.

Gute Ratschläge in Sachen Demokratie an die Türkei allerdings wollte keiner der Beteiligten erteilen, so wie das arroganterweise die Vertreter der westlichen Regierungen in den USA und der EU tun. Denn auch an ihrer Politik, und sei sie angeblich noch so demokratisch, gibt es berechtigte und massive Kritik der Menschen. Es geht also um Gemeinsamkeiten, um Solidarität im Kampf um ein besseres Leben.

Breiter Protest

Nicht zufällig war Ausgangspunkt des Widerstands, den Gezi-Park als eine der wenigen verbliebenen Grünanlagen im Herzen Istanbuls vor Regierungsplänen zu schützen, auf ihm einen Gebäudekomplex aus Einkaufszentrum und Luxuswohnungen zu errichten. Immer mehr wird begriffen, wie wichtig die Umwelt für unser Leben ist.

Doch Ministerpräsident Erdogan suchte keinen Dialog mit der Protestbewegung über ihre Forderungen. Stattdessen wurde massiv die Staatsmacht eingesetzt. Die als Terroristen verunglimpfte Taksim-Plattform besteht aber aus 118 verschiedenen Organisationen (Gewerkschaften, Sozialverbänden, Umweltgruppen, Fußballmannschaften, Greenpeace, amnesty, Parteien usw.):

Umweltschützer protestieren gegen eine Politik für Baukonzerne auf Kosten der Umwelt.

Jugendliche für ihr Recht auf Bildung und gegen die Bildungspolitik, sie zu einer „frommen Generation“ zu formen.

Arbeiter und Beamte gegen eine Wirtschaftspolitik, die Reiche reicher und Arme ärmer macht.

Frauen gegen eine frauenfeindliche Politik, die sie gesellschaftlicher Diskriminierung aussetzt.

Journalisten gegen Medienkonzerne, die aus Profitsucht nur eine regierungsfreundliche Berichterstattung zulassen.

Weite Teile der Bevölkerung, weil sie verschiedene Rechnungen mit der Erdogan-Regierung offen haben.

Der demokratische Protest, Ausdruck einer angestauten Wut gegen einen selbstherrlichen und autoritären Regierungsstil, hat das ganze Land erfasst. Die Antwort der Regierung: Verstärkung des Staatsterrors, selbst nach dem Urteil gegen die Bebauung.

Die Zahl der Verletzten und Festgenommenen geht in die Tausende. Mittlerweile sind 4 Menschen gestorben. Einer wurde vor laufender Kamera erschossen, der Schütze, ein Polizist, ist wieder auf freiem Fuß.

Die beste Solidarität ist der eigene Kampf

Heute schaut bei allem die Welt zu, so lernt man voneinander und hilft sich gegenseitig. Es ist weltweit praktizierte Solidarität, den Mächtigen Kontra zu geben.

Nirgendwo gibt es einen Grund, Ungerechtigkeiten und Willkür hinzunehmen.

Auch in Witten nicht. Seit Jahren handelt die Stadtverwaltung nach der Devise, Bürgerinteressen zu ignorieren, ins Gegenteil zu verkehren oder ins Leere laufen zu lassen. Wie zuletzt beim Theater um die Stadtbücherei, mit dem ein Bürgerbegehren mit über 12.000 Unterschriften ausgehebelt wurde.

Das nächste Projekt ist die Gestaltung des Kornmarkts, eine interessante Parallele zu Istanbul. Kriegen wir einen Gezi-Park oder profitable Prestigebauten? Ein Kampf für eine grüne Lösung lohnt sich allemal.

Taksim ist auch in Witten!

 

Witten im AUFbruch 3/2013