• Für einen grünen Kornmarkt
  • Homepage vom Frauenverband Courage Witten
  • Stärk die neue Friedensbewegung! Gegen Faschismus und Krieg!
  • Internationalistisches Bündnis gegen Rechtsentwicklung, Faschismus und Krieg!
  • Gib Antikommunismus keine Chance!
  • Umweltgewerkschaft - Die Erde vor dem Kollaps retten
  • Homepage der Bundesweiten Montagsdemobewegung - das Original seit 2004

Rede zum Haushaltsentwurf für 2012/2013

Kategorie: Haushaltsreden Veröffentlicht: Mittwoch, 27. Juni 2012 Geschrieben von Achim Czylwick
Die erdrückenden jährlichen Zinsen belasten den Haushalt so stark, dass Witten auf Handlungsunfähigkeit zusteuert. Deshalb ist eine Niederschlagung der Schulden der einzige Weg für Achim Czylwick.
Die erdrückenden jährlichen Zinsen belasten den Haushalt so stark, dass Witten auf Handlungsunfähigkeit zusteuert. Deshalb ist eine Niederschlagung der Schulden der einzige Weg für Achim Czylwick.

Gegen diese politisch gewollte Unterfinanzierung, die über zahlreiche Gesetze und Verordnungen auch Witten aufgezwungen wurde, half denn auch keine Konsolidierung.

Diese Umverteilung bewirkte, dass die Einnahmen der Stadt, über die Jahre betrachtet, stagnieren und sich zugleich eine sich immer schneller wachsende Gesamtverschuldung aufbaute.

Im Haushalt 2008 wurde für 2012 ein Defizit von 14 Millionen eingeplant, nun sind es 62 Millionen im Vorbericht geworden, mehr als das vierfache. Die Neuverschuldung beträgt 21,6 Mill. €.

Lagen die mit hohen Zinsen aufzunehmenden Kassenkredite 2008 noch unter den Einnahmen, so stehen heute, nach nur vier Jahren, Erträgen in Höhe von rund 200 Millionen Euro Liquiditätskredite von 312 Millionen Euro gegenüber.

Also 112 Millionen hochverzinste Schuldeneuro mehr als eingenommen wird.

Es stellt in dieser Situation eine verheerende Fehleinschätzung dar, im sogenannten Stärkungspakt die angeblich einzig mögliche Hilfe von außen zu sehen.

Der Zweck des Stärkungspakt-Gesetzes ist nicht die Entschuldung der Kommunen.

Angesichts von 22,2 Milliarden Euro kommunaler Kassenkredite in NRW am Ende letzten Jahres, reichen die in Aussicht gestellten Millionen nicht.

Das ganze ist auch deswegen kein Stärkungspakt, weil die Landesregierung plant, den größten Teil dieser Summe, nämlich um die 400 Millionen, durch die Umwandlung von Fördermittel für die Städte in Darlehen, gegen zu finanzieren.

Für Witten würde das bedeuten, keine Fördermittel mehr in Anspruch nehmen zu können, wenn sie nur als Darlehen möglich sind.

Die Bundes- und Landespolitik bürdet den Kommunen zunehmend mehr Kosten auf, die die Schuldenspirale nur noch weiter verschärft.
Die Bundes- und Landespolitik bürdet den Kommunen zunehmend mehr Kosten auf, die die Schuldenspirale nur noch weiter verschärft.

Bei einem abzusehenden Gesamtschuldenstand in Witten von bald einer halben Milliarde Euro zu behaupten, mit einer zeitlich begrenzten Geldspritze von jährlich mal rund 7,2 Millionen Euro einen ausgeglichenen Haushalt bis 2016 erreichen zu können, ist angesichts der Realitäten reines Wunschdenken.

Dazu gehört auch die Absicht, ab 2020 mit dem Abbau der Schulden beginnen zu wollen.

Die konkreten Zahlen aus den vergangenen Jahren zeigen doch, dass genau der andere Weg gegangen wurde: lediglich die Zinszahlungen wurden abgesichert – und zwar dadurch, dass immer mehr neue Schulden gemacht wurden. Die notwendigen Investitionen dagegen wurden zurückgefahren.

Dass es im Kern nur um die Zinsdienste, sprich Bankprofite, geht, wird auch deutlich an der Äußerung von Innenminister Ralf Jäger (SPD). Da hochverschuldete Rathäuser bald gar keine oder nur noch höchstverzinste Kredite erhalten würden, müsse man vorbeugen.

Das bezieht sich u.a. auf das Basel III Abkommen, das Banken verpflichtet, für kommunale Gelder Sicherungen anzulegen, was die Kredite verteuern wird.

Es soll damit erreicht werden, dass auch überschuldete Kommunen in jedem Fall den Kapitaldienst aufrecht erhalten und kreditwürdig bleiben.

Da es in der Politik darum geht, die Finanzströme und die Banken zu sichern, wie wir täglich erfahren, ist auch klar, dass der Stärkungspakt ein Teil dieser Politik ist.

Dass es vor allem um diese Zusammenhänge geht und eben nicht um die Daseinsvorsorge, geht auch und wohl eher ungewollt, aus einer Studie des IWF (Internationaler Währungsfonds) hervor.

In 17 Industrieländern wurden für die Zeit von 1978 bis 2009 die Auswirkungen von 173 Konsolidierungsprogrammen untersucht. Weder konnte ein Abbau von Verschuldung belegt noch eine Konjunkturbelebung nachgewiesen werden.1

Neben massiven Kürzungen in den Sozialhaushalten machte sich vor allem eine sinkende Investitionsquote negativ bemerkbar. Aus dem Zusammenwirken aller Maßnahmen ergab sich eine erhebliche Einschränkung des privaten Konsums.

Infolge der Sparauflagen für die Länder im Mittelmeerraum, nicht in Griechenland, werden auch dort die Investitionsmärkte so beeinflusst, dass allein das negative Rückwirkungen auf den Export in Deutschland haben wird.

Das allein zeigt schon, dass wir vor einem neuen Konjunktureinbruch stehen. Die Stahlproduktion, ein Frühindikator, sank in der EU bereits um 5,2%.

Der Stärkungspakt ist Bestandteil der Politik zur Finanzierung der Rettungsschirme und eben nicht der Entschuldung der Kommunen.

Der „Sanierungsplan“ ist eine Ergänzung und Erweiterung zu den Festlegungen, die schon im Haushaltssicherungskonzept 2011 beschlossen wurden, allerdings in erschreckenden Dimensionen.

Bis 2015 sollen jährlich 5 Millionen Euro an sogenannten Personalkosten abgebaut werden, das sind bis 2021 rund 50 Millionen Euro.

Insgesamt 400 Mitarbeiter sollen bis dahin, wohl aus Altersgründen, ausscheiden, überwiegend ohne Ersatz.

Das sieht nach einem relativ unkontrollierten Abbau von Personal aus, flankiert durch die Einstellung der Ausbildung. Erhöht werden aber die Bezüge im gehobenen Dienst.

Mit welcher perspektivlosen Denkweise diese Planspiele betrieben werden, wird am Bereich Kinder und Jugend besonders deutlich.

So wird die „Nutzung des demografischen Effekts“ hervorgehoben. Das scheint gerade zu ein „Glück“ für die städtischen Planer zu sein. Denn mit der geringeren Zahl von Kindern und Jugendlichen und einer rückläufigen Schülerzahlentwicklung werden die Einsparungen in der Jugendhilfe von rund 30,4 Mill. € bis zum Jahr 2021 begründet.

Die Erhöhung Grundsteuer B (Grundstücke) und A (land- und forstwirtschaftliche Betriebe) soll Mehreinnahmen von rund 36,6 Millionen bis zum Jahr 2021 bringen.

Getroffen werden dadurch vor allem Mieter mit relativ geringen Einkommen, weil bei diesen die Miete den größten Ausgabenposten ausmacht. Vermieter werden die Erhöhungen auf die Mieter abwälzen.

Während bei der Vergnügungssteuer wegen gesetzlicher Vorgaben eine „Erdrosselungswirkung“ der Betreiber vermieden werden soll, ist das bei den Hundebesitzern und den Mietern nicht verboten.

Weitere Details der Grausamkeiten erspare ich mir.

Es ist offenkundig, dass das Problem der Verschuldung nicht gelöst wird. Es bleibt weiterhin so, dass die Verschuldung neue Schulden erzeugt. Im Sanierungsplan wird diese Tatsache verschämt mit „Zins – Zins Effekten“ umschrieben.

Im Prinzip also ist dieser Haushalt nichts Neues, es wird die Methode der vergangenen Jahre fortgesetzt.

Vergebliches „Sparen“, um die Umverteilung aufrecht zu erhalten und das dann mit Annahmen zu rechtfertigen, so zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, was aber weder in der Vergangenheit zutraf noch in der Zukunft eintreten wird.

Als ich im Jahr 2004 das erste Mal den Haushaltsentwurf analysierte, wies ich in meiner Rede auf die sich verschärfende Schuldenfalle hin.

Zur damaligen Zeit war der Vorschlag ein Zinsmoratorium anzustreben noch ein erster möglicher Schritt aus der Schuldenfalle.

Die Stadt hätte jährlich etwa 7 Millionen Euro für dringend notwendige Investitionen gehabt. Der zweite Effekt wäre gewesen, die teuren Kassenkredite zur Finanzierungsüberbrückung abzubauen zu können.

Das Haushaltsloch wird auch in diesem Jahr nicht kleiner.
Das Haushaltsloch wird auch in diesem Jahr nicht kleiner.

Nach heutigem Stand würde das nicht mehr ausreichen, nun geht es ohne Niederschlagung der kommunalen Schulden nicht wirklich weiter.

Damit sind dann auch die kommunalen Finanzen neu zu regeln, mit dem Kern, die Einnahmen der Städte den von Bund und Land verordneten Ausgaben anzupassen.

Natürlich hat der Rat nicht die Kompetenz, ein solches Moratorium auch selbst umzusetzen. Aber das politische Signal wäre gewaltig gewesen und hätte signalisiert, so geht es nicht mehr weiter.

Manchmal muss man eben auch eine Lawine lostreten.

Ich kann wohl verstehen, dass es für ein Mitglied einer Partei, deren Bundes- und Landespolitik zu dieser exorbitanten kommunalen Verschuldung geführt hat, eine relativ hohe Hürde darstellt, auf kommunaler Ebene in Opposition zur Politik der eigenen Partei zu gehen.

Denn die Forderung nach einem Zinsmoratorium oder noch weitergehend nach einer Niederschlagung der kommunalen Schulden bedeutet Opposition und Widerstand.

Doch wenn sich die Bundes- und Landespolitik aller bisher an der Regierung beteiligten Parteien so krass gegen eine eigenständige und ausreichend finanzierte Kommunalpolitik richten, welche Option haben Sie denn sonst, wenn sie Alternativen haben wollen?

Mit der Zustimmung zum Haushaltsentwurf wird nicht nur nichts geändert, sondern eine längst gescheiterte Politik fortgesetzt.

Eine Politik, die noch nicht einmal die wenigen Lehrstellen für die berufliche Zukunft Wittener Jugendlicher in der Stadtverwaltung erhalten kann.

Eine Politik, die nur noch den Inhalt hat, mit immer neuen Kürzungslisten die kommunale Daseinsvorsorge bis zur Unkenntlichkeit aushöhlen, werde ich nicht mittragen.

Ich lehne diese Vorlagen ab, weil sie sich gegen die notwendige Neuausrichtung der Kommunalpolitik und ihre finanziellen Grundlage richten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

1 „New International Evidence“

 

Suchen