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Luftreinhalteplan verdient nicht den Namen den er trägt

Veröffentlicht: Freitag, 18. November 2016 Geschrieben von Wolfgang Seidel, Bürger der Stadt Witten
Wolfgang Seidel, Bürger der Stadt Witten
Wolfgang Seidel, Bürger der Stadt Witten

Das Feinstaubproblem wird bewusst verharmlost!

Am 17.10.2016 wurde der „Luftrein­halteplan 2016“ als Entwurf zur Öffentlichkeitsbeteiligung veröffentlicht. Nach erster Sichtung ziehe ich folgende Kurzbilanz:

  1. Es wird nur die Stickstoffdioxidbelastung betrachtet (NO₂), Feinstäube wie PM₁₀oder gar PM2,5 hingegen nicht! PM ist ein Durchschnittsmaß für die Partikelgröße von Feinstaub, der lungengängig ist, also bis in die Lungenbläschen gelangen kann. Hierfür gibt es Grenzwerte, die aber, wenn überhaupt nicht gemessen wird, auch nicht eingehalten werden müssen.
  2. Richtigerweise wird darauf hingewiesen, dass bei erhöhter Stickstoffdioxid-Konzentration neben einer Zunahme von Bronchitis- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch die Sterblichkeit in der Bevölkerung zunimmt.
  3. Die einzige aktuelle NO₂Messstelle in Witten (an der Ruhrstr.) ist nur mit einem Passivsammler bestückt, der monatliche Werte liefert,aus denen der Jahresmittelwert gebildet wird. Stündliche Belastungsspitzen, wie sie mit einem kontinuierlichen NOₓ-Analysator gewonnen werden könnten, werden nicht ermittelt. Dafür gibt es auch EU-Grenzwerte, die für Witten noch bedenklicher ausfallen dürften als die bisher ermittelten pauschalen Jahresüberschreitungen.
  4. Die Messwerte für 2014 sind nicht vollständig, da es im März und Oktober zu Ausfällen der Messung kam. So wurde nur für die verbleibenden Monate ein Mittelwert gebildet. Solche Ausfälle gab es interessanterweise auch schon bei den Messungen von Metallstaubniederschlägen im Umfeld der Deutschen Edelstahlwerke...
    Deutsche Edelstahlwerke Witten - Elektrolichtbogenofen
    Deutsche Edelstahlwerke Witten - Elektrolichtbogenofen - Bild aus dem Video "Stärkster Stahlschrottschmelzofen"
  5. Da laut Bericht das Jahr 2015 meteorologisch ein sehr günstiges Jahr war, ist für 2016 voraussichtlich ein höherer Jahresmittelwert für NO₂zu erwarten.
  6. Dass nur die Ruhrstr. als Messstelle betrachtet wird, liegt daran, dass die Stadt dem LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW) keine weiteren zu kontrollierenden Straßenabschnitte genannt hat.
  7. Der NOₓWert für Emissionen der Industrie, wie auch der Edelstahlwerke, beruht auf den neuesten zur Verfügung stehenden Daten für Witten, basierend auf den Emissionserklärungen für den Erklärungszeitraum 2012 (in Worten: zweitausendzwölf), also vor 4 Jahren! Für die DEW waren das 102,5 t/a (Tonnen pro Jahr). Durch geschickte Betrachtungen von Winddaten und meiner Meinung nach auch dem Umstand der verringerten Neutralität, dank der Aufsichtsratsmitgliedschaft unserer Bürgermeisterin Frau Sonja Leidemann bei den Deutschen Edelstahlwerken, wird für die Messung in der Ruhrstr. für die Industrie so nur ein Anteil von 3%herangezogen.
  8. Aufgrund der Nichteinhaltung des NO₂Grenzwerts, unter anderem auch in Witten, wurde ein EU-Vertrags­verletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet. Es drohen die Umsetzung von Sofortmaßnahmen sowie erhebliche Geldbußen. 
  9. Dokumentiert aus „Luftreinhalteplan Witten 2016“ (Entwurf)

    „Bei der Beurteilung der Emissionen ist zu beachten, dass die meisten industriellen Emissionen über hohe Quellen (Schornsteine) emittiert werden. Diese Emissionen wirken sich, da sie weit getragen werden, auf den regionalen Hintergrund aus. Bei der Betrachtung der Immissi-onsbelastung in den Straßen-schluchten sind hingegen niedrige, nahe gelegene Quellen relevant.“ (Seite 29)
    Der Verursacheranteil des Regiona-len Hintergrundes an der NOX-Belastung an der Messstelle Ruhr-straße wird mit 42% bewertet, der der Industrie jedoch nur mit 3%. (Seite 31)

    Der Busverkehr, der mit 29% an der Stickstoffdioxidbelastung beteiligt ist, erfolgt mit Busflotten von Unternehmen, die zum Teil heute noch die Euro-Klassen Euro 0, Euro II und Euro III betreiben. Erdgasbusse sind hier wohl unbekannt.
  10. Der Offroad Verkehr (Betrieb mobiler Maschinen) wie Baumaschinen, Land- und Forstmaschinen, Geräte für die Gartenpflege (Rasenmäher und Laubbläser) soll durch die Änderung der aktuellen Gesetzgebung weiter reduziert werden. Warum kann nicht wieder der gute alten Rechen bei den Laubbeseitigungsbetrieben und der Stadtreinigung zum Einsatz kommen, anstatt Kohorten von Laubbläsern mit stinkenden, ungereinigten Abgasen und Höllenlärm erzeugenden Motoren, die von „Möchtegern Schumis“ bedient werden, vor die Aufgabe zu stellen, nasses Laub zu bewegen?

Wie Sie, liebe Leserinnen und Leser, in meinem Artikel zur Feinstaubbelastung in der letzten Ausgabe von Witten im AUFbruch nachlesen können (Witten im AUFbruch 2/2016), hatte ich mit meinen kritischen Nachfragen und Anmerkungen bei den Behörden wenig Erfolg. Auch der WDR ist nach anfänglichem Interesse dann doch nicht aktiv geworden.

So wandte ich mich am 15.10.2016 an die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die aktiv und erfolgreich im VW Dieselfahrzeugumweltskandal auftritt und als neueste Enthüllung durch eigene Untersuchungen nachgewiesen hat, dass selbst die neueste Euro 6 Norm mehr klimaschädliche Abgase emittiert als die von VW nachgebesserten Euro 5 Diesel.

Deutsche Edelstahlwerke Witten
Deutsche Edelstahlwerke Witten

Die DUH zeigt sich interessiert an der Wittener Umweltsituation und prüft derzeit, wie seitens der DUH weiter damit umgegangen wird. Ich werde weiter Bericht dazu erstatten.

Zumindest haben wir damit Interesse bei einer die Gesundheit der Bevölkerung vertretenden Organisation gefunden.

Nickelgrenzwerte werden weiter erheblich überschritten

Im Rahmen einer geführten Tour mit dem Stadtmarketing Witten konnten am 18.10.2016 die DEW (Deutsche Edelstahlwerke) besichtigt werden. Wer dazu nicht die Gelegenheit hatte, sollte sich mal im Internet folgende Links ansehen, die ebenfalls einen guten Einblick vermitteln:

Hier wird deutlich, was für ein Aufwand betrieben wird, Stäube und Emissionen abzufangen.

Doch konnte man dennoch bei der Begehung des Stranggussbereiches und im Zuge der weiteren Nachbehandlung im Walzwerk ein hohes Staubaufkommen in Form von Ablagerungen beobachten. Darüber hinaus waren über die offenen Fensterklappen der Hallen diffus austretende Emissionen zu erkennen

(Siehe eigenes Foto, aufgenommen vom Ruhrdeich aus am 8. März 2016).

Daraus ist eindeutig ersichtlich, dass die Stäube nicht vollständig abgefangen werden und deshalb auch weiterhin die Nickelgrenzwerte immer wieder und in erheblicher Größenordnung überschritten werden.DEW Ausstoß vom Ruhrdeich aus gesehen

Dass bei dieser Sachlage die verantwortlichen Umweltschutzbehörden einfach nur zusehen, ist ein Skandal.

Wer sich dafür näher interessiert und nicht mit verharmlosenden Ausreden abgespeist werden möchte, möge dazu die Abhandlung lesen: „Emissionsfaktoren zur Eisen- und Stahlindustrie für die Emissionsberichterstattung“, die das Betriebsforschungsinstitut (BFI) im Auftrag des Umweltbundesamtes erarbeitet hat. Diese findet man unter:

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