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HP Pelzer Opfer unentschädigt „Konsequente Manipulation“

Veröffentlicht: Samstag, 05. November 2011 Geschrieben von AUF Witten
Peter Spyrka war lange Zeit Chemiearbeiter bei der Firma HP Pelzer Chemie
Peter Spyrka war lange Zeit Chemiearbeiter bei der Firma HP Pelzer Chemie

Interview mit Peter Spyrka (AUF Witten) – ehem. HP-Pelzer Beschäftigter

Im PCB-Skandal um die Giftfirma Envio in Dortmund hat die Bezirksregierung Arnsberg der Staatsanwaltschaft wiederholt Akten vorenthalten, die sie als Aufsichtsbehörde belasteten. Das belegen Recherchen der WAZ. Sie decken einen weiteren PCB-Fall auf: Strafanzeigen und Ermittlungen gegen den Lüner Entsorger Remondis, die bisher verschwiegen wurden. Neue Schlampereien, neue Unwahrheiten, neue Vertuschungen.

Weder WAZ noch WDR brachten aber trotz vorliegender konkreter Beweise Berichte über den seit Jahren völlig ungeahndeten Umweltskandal bei der Wittener Firma HP Pelzer Chemie. Hier lief dasselbe Spiel wie bei Envio, nur dass die Presse das mitmacht. Interessanterweise auch die Justiz. Wie das läuft, kann in der Süddeutschen Zeitung vom 9.4.2008 nachgelesen werden, wo ein Richter im Ruhestand unter dem Titel Konsequente Manipulation über seinen Beruf berichtet. Wir befragten dazu Peter Spyrka.

? Trifft die Kennzeichnung „Konsequente Manipulation“ in Deinem Vergiftungsfall bei Pelzer Chemie zu?

Peter Spyrka (P.S.:) Da lasse ich lieber den ehemaligen Richter Frank Fahsel selbst zu Wort kommen. Er schreibt:

Ich war von 1973 bis 2004 Richter am Landgericht Stuttgart und habe in dieser Zeit ebenso unglaubliche wie unzählige, vom System organisierte Rechtsbrüche und Rechtsbeugungen erlebt, gegen die nicht anzukommen war/ist, weil sie systemkonform sind.“

Dazu möchte ich anfügen: Was mir widerfahren ist, als Manipulation zu bezeichnen, wäre noch viel zu harmlos.

Gefährliches Regime

? Welche Bezeichnung wäre dann besser?

P.S.: Für mich hat das schon den Charakter eines gefährlichen Regimes. Wann kann man von einem gefährlichen Regime sprechen? Wenn das Leben gefährdet ist, wie bei uns Chemiearbeitern und man keine Chance auf Gerechtigkeit hat. Wenn wie bei HP Pelzer Chemie die Arbeiter vergiftet werden mit Zyanid, mit Dioxin, mit Benzol usw., lauter Gifte, die alle inneren Organe zersetzen und woran man qualvoll und langsam sterben muss.

Von einem gefährlichen Regime muss man sprechen, wenn in den Aufsichtsbehörden und der Berufsgenossenschaft Beamte und Ärzte tätig sind, die nichts gegen die Vergiftung unternehmen und die Opfer sogar mit bürokratischen Schikanen verhöhnen.

Ein gefährliches Regime ist es auch, wenn Politiker, an die man sich vertrauensvoll gewandt hat wie an den Petitions­ausschuss des Deutschen Bundestages (Pet 3-15-41-828-03496 v. 18.12.2007) entgegen vorliegender Beweise angesichts von mittlerweile über 40 Todesfällen mitteilen, der ursächliche Zusammenhang sei nicht klar.

Dasselbe gilt für die ärztlichen Gutachten, die im Sinne ihrer Auftraggeber urteilen, damit sie ihre lukrativen Nebenjobs nicht verlieren – und es gibt Richter, die das entweder nicht merken oder merken wollen und die Fakten willkürlich zurechtbiegen. Bei allem sitzen sogenannte Arbeitnehmervertreter, die nur bemüht sind, das friedliche Einvernehmen, von dem offensichtlich alle profitieren, nicht zu stören.

Ich habe mehrfach auf gravierende Rechtsbrüche hingewiesen, aber die Justiz interessiert das nicht.

Gesetze missachtet

? Welche Rechtsbrüche waren das?

Das geht schon los mit dem Grundgesetz: Da steht in Artikel 1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und in Artikel 2 „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“.

Das können sich die verstorbenen Pelzer-Arbeiter auf ihren Grabstein schreiben lassen. Obwohl ich noch lebe, wenn auch mit schweren gesundheitlichen Problemen, werde ich von der Justiz verhöhnt und ignoriert – ich erhalte weder Sozialgeld noch Rente – obwohl ich weder arbeiten gehen kann noch irgendeine Chance auf dem Arbeitsmarkt habe.

Die Täter und Aufsichtsorgane bleiben unbehelligt entgegen dem Artikel 34 (GG) „Haftung bei Amtspflichtverletzungen“. Doch das interessiert den Staat nicht, ich bin ja nur ein kleiner Chemiearbeiter.

Konsequenzen

? Welche Konsequenzen ziehst Du daraus?

Solange, wie sich das Volk solche Dinge gefallen lässt, wird sich nichts ändern. Man muss sich organisieren und gemeinsam gegen die Verbrecher vorgehen. Wie man sieht, muss auch die Justiz einen anderen Charakter bekommen.

Es muss unnachsichtig bestraft werden, wenn einer aus reiner Profitgier Arbeiter vergiftet. Doch wer soll so etwas verurteilen, da bräuchte man schon eine ganz andere Justiz. Und überhaupt gehört der Reichtum allen, die daran mitgearbeitet haben. Unter wahrer Demokratie jedenfalls stelle ich mir etwas anderes vor, als was wir heute haben.

Das dürften die Großindustriellen, Banker und ihre Politikermarionetten nicht gern hören.

Solange Leute mit Kapital sich ihre Politiker kaufen können und alle Gesetze ungestraft übertreten dürfen, werden wir einfachen Arbeiter immer das Nachsehen haben. Das sind meine Erfahrungen.

Aber das muss nicht so bleiben!

 

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