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Bedingungsloses Grundeinkommen?

Kategorie: Montagsdemo und Hartz IV Veröffentlicht: Mittwoch, 01. Mai 2013 Geschrieben von Romeo Frey
Romeo Frey zeigt mit seiner kritischen Betrachtung auf, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die Probleme nicht lösen würde.
Romeo Frey zeigt mit seiner kritischen Betrachtung auf, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die Probleme nicht lösen würde.

Eine kritische Betrachtung

von Romeo Frey, Sprecher im Vorstand von AUF Witten

Das Netzwerk Grundeinkommen gibt es seit 2004. Es versteht sich als Teil einer internationalen Bewegung. Das von ihm geforderte „Grundeinkommen“ (BGE) soll vom Staat „bedingungslos jedem ... gewährt werden, die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden.“ (https://www.grundeinkommen.de/die-idee).

Was sich wie eine linke Utopie anhört, wird interessanterweise nicht nur von Vertretern der Linkspartei, der Grünen und der Piraten propagiert, sondern auch vom Chef der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, sowie dem Leiter des Weltwirtschaftsinstituts in Hamburg, Prof. Dr. Thomas Straubhaar, also gewissermaßen von Repräsentanten des Kapitals.

Verschiedene Begründungen für dieselbe Forderung

Professor Dr. Rainer Roth, Sozialwissenschaftler an der Fachhochschule Frankfurt a.M., hat sich mit dem BGE ausführlich in einer Ausarbeitung beschäftigt, auf die ich mich im Folgenden beziehe. (1)

Er belegt, dass dieselbe Forderung nach einem BGE auf die unterschiedlichste und völlig gegensätzliche Art und Weise begründet wird.

So erwarten Götz Werner und Prof. Straubhaar vom BGE vor allem eine Senkung der Kosten für die Ware Arbeitskraft, indem bisherige Lohnbestandteile über Steuermittel vom Staat bezahlt werden.

Dagegen war der Ansatz von Erwerbslosen und Vertretern der sozialen Bewegungen gegen die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze, sich gegen den staatlichen Arbeitszwang zur Wehr zu setzen.

Vertreter des liberalen Bürgertums, nicht selten Akademiker und Intellektuelle wie Dr. Sascha Liebermann von der Gruppe „Freiheit statt Vollbeschäftigung“ stellen dem „Kapital in Aussicht, hochmotiviert und freiwillig zu arbeiten, wenn ihre (jetzt häufig noch prekäre Existenz) durch ein bedingungsloses Grundeinkommen existenziell abgesichert würde“ (1). Das würde die Wertschöpfung, sprich Profite, des Kapitals steigern.

Natürlich ist es legitim, sich dagegen zu wehren, unter Androhung von Sanktionen Ein-Euro-Jobs antreten zu müssen, untertarifliche Arbeiten als Aufstocker verrichten zu müssen, Leiharbeit zu verrichten, Bewerbungen ohne Chance auf Einstellung nachweisen zu müssen.

Denn die sogenannten Zumutbarkeitsbestimmungen und Pflichten der Hartz-Gesetze haben den Effekt, „die Konkurrenz unter den Lohnabhängigen zu verschärfen, Löhne zu senken, Arbeitslosen Leistungen zu kürzen, sie zu demütigen und aus dem Bezug zu treiben. Darin drückt sich das Interesse des Kapitals aus“. (1)

Ein Masstab zur Beurteilung

Wittener Demo gegen die Agenda 2010 am 16.08.2004
Wittener Demo gegen die Agenda 2010 am 16.08.2004

Mit dem Zwang zu unterbezahlten Arbeiten benutzt der Staat die Arbeitslosen als Druckmittel gegen Tariflöhne und gegen geltende Lohnstandards und erweist sich so als Instrument der Kapitalseigner.

Da die Nachfrage nach Arbeit sinkt, weil die Großindustrie, besonders rasant in Krisenzeiten, kontinuierlich Arbeitsplätze vernichtet, hat der gemeinsame Kampf von Arbeitenden und Arbeitslosen gegen diese staatliche Niedriglohnpolitik eine zunehmende Bedeutung.

Ein wichtiger Maßstab zur Beurteilung der Forderung nach einem BGE ist also die Frage, ob sie den gemeinsamen Kampf fördert oder behindert.

Keine geeignete Tagesforderung

Ein wesentliches Merkmal des Kapitalismus ist die Tatsache, dass auch die menschliche Arbeitskraft als Ware gehandelt und behandelt wird. Der von den Unternehmern gezahlte Lohn müsste eigentlich dem Gestehungspreis für die Ware Arbeitskraft entsprechen, was die Niedriglöhne natürlich nicht tun. Das bedingungslose Grundeinkommen ändert daran nichts, sondern wirkt „aus seiner ökonomischen Logik heraus als Kombilohn, fördert also Lohnsenkungen.“ (1)

Mit der Einführung eines steuerfinanzierten Grundeinkommens könnte der von Unternehmern zu zahlende Lohn nur noch so gering sein, dass er den Unterschied zum BGE ausgleicht. Dieses wäre ja definitionsgemäß bereits existenzsichernd.

Dieses Modell des Kombilohns gibt es schon heute in Form von so niedrigen Stundenlöhnen, dass der Beschäftigte seinen kargen Lohn mit Zuschüssen der Jobagenturen auf Hartz-IV-Niveau aufstocken muss. Doch dieses Niveau liegt unter den Gestehungskosten der Ware Arbeitskraft.

Deshalb liegt es im Interesse von Arbeitenden und Arbeitslosen, einen gemeinsamen Kampf gegen die staatlich organisierte Niedriglohnpolitik der Agenda 2010 zu führen.

Bereits 2004 stellte der Frankfurter Appell gegen Sozial- und Lohnabbau dazu die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, der zum Leben reicht, auf.

Im Gegensatz zur SPD, deren Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde gerade mal Hartz IV-Niveau erreicht, waren es damals mindestens 10 € pro Stunde. Diese Forderung entspringt aus der Erkenntnis, dass wenn die Arbeitskraft schon als Ware gehandelt wird, sie auch ihren Gestehungspreis erzielen muss.

Zum vergrößern das Bild anklicken! Die Tabelle beweist, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro nicht ausreichend ist und gerade eben Hartz IV Niveau wäre.

Diese Forderung erhöht das Lohnniveau, wonach sich alle Sozialabgaben und Renten richten und liegt deshalb im Interesse aller Lohnabhängigen, ob sie nun Arbeit haben oder nicht.

Eine ebenso für den Tageskampf geeignete Forderung ist die nach einem gesetzlichen 6-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich, weil dadurch mehr Arbeitskräfte gebraucht und eingestellt werden können ohne die Nebenwirkung einer ohne Lohnausgleich praktizierten Kurzarbeit.

Das BGE richtet sich im Grunde gegen die Einheit von Arbeitenden und Arbeitslosen, obwohl viele, die das BGE aus dem Bauch heraus befürworten, gleichzeitig für einen Mindestlohn eintreten,

 „Im Modell zu Ende gedacht, wäre mit der Einführung eines steuerfinanzierten BGE letztlich gar kein von Kapital bezahlter Mindestlohn mehr notwendig.“ (1)

Prof. Straubhaar formuliert es noch drastischer in der Berliner Zeitung vom 17.03.2006: „Mindestlöhne werden dann obsolet.“

Das BGE stärkt also die herrschende Niedriglohnpolitik und bereitet dem Kombilohn durch die Hintertür den Weg, es verschlechtert die Bedingungen zum Verkauf der Ware Arbeitskraft, zu dem Lohnabhängige nun mal gezwungen sind, solange dieses Wirtschaftssystem betrieben wird.

Ohne Perspektive

Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen würde eher den Unternehmen zu Gute kommen.
Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen würde eher den Unternehmen zu Gute kommen.

Zu Recht weisen die linken Befürworter des BGE darauf hin, dass die materiellen Bedingungen für eine selbstbestimmte Arbeit, ohne Zwang, bei problemloser Existenzsicherung und völlig ohne Arbeitslosigkeit bereits gegeben sind. Doch sie stellen sich nicht ernsthaft die Frage, woran es denn liegt, dass die realen Verhältnisse dem völlig widersprechen.

Sonst würden sie sich, anstatt im bestehenden gesellschaftlichen Rahmen utopische Forderungen aufzustellen, die letztlich doch nur wieder von den Lohnabhängigen finanziert werden müssten, Gedanken darüber machen, wie eine Gesellschaft ohne Ausbeutung von Lohnarbeit erreicht werden kann.

Solange es nicht nur erlaubt, sondern als herrschendes Modell zementiert ist, dass die Gesellschaft gespalten ist in Kapitaleigner, die mit ihrem Kapital machen können, was sie wollen, und einer Masse von Lohnabhängigen, die nur ihre Arbeitskraft besitzen und diese verkaufen müssen, um irgendwie existieren zu können, solange ist kein wirklicher gesellschaftlicher Fortschritt zu erwarten.

Die soziale Bewegung braucht Forderungen, die eine Kampfeinheit zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen, Jung und Alt, herstellt mit der Perspektive, die Lohnarbeit irgendwann mal abschaffen zu können. Sie braucht aber kein Grundeinkommen für Jeden, also auch für Kapitalisten oder für solche, die es werden wollen.

„Die VertrerInnen des bedingungslosen Grundeinkommens sollten auf ihre Versuche verzichten, ihre spaltende und illusionäre Forderung als Grundlage von Bündnissen, Aufrufen und Demonstrationen durchzusetzen.“ (1)

Ein Bündnis zwischen Menschen, deren Existenz bedroht ist, muss das Gemeinsame betonen, nicht das Trennende.

(1) Rainer Roth „Zur Kritik des Bedingungslosen Grundeinkommens“, DVS Frankfurt, 2. Auflage,

 

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