Leserbrief zum Thema kommunale Verschuldung, bezogen auf WAZ Artikel „NRW muss die Städte retten“
Die kommunale Verschuldung kann durch Sparen nicht überwunden werden. Das bestätigt jetzt Achim Truger, ein sogenannter Wirtschaftsweise im Sachverständigenrat. Sparmaßnahmen und die wohlklingenden Stärkungspakete haben die Verschuldung nicht gestoppt. Ich fordere seit Jahren im Rat der Stadt Witten ein Schuldenmoratorium sowie eine vollständige Neufinanzierung der Städte und Gemeinden. Herr Truger hat recht, wenn er sagt, dass die bisherige Gemeindefinanzierung so keine Zukunft hat, dass die Krise deren Widersinnigkeit offenbare.
Doch die gegenwärtige Weltwirtschafts- und Finanzkrise, die durch die Corona-Krise vertieft wurde, deckt noch viel mehr auf. Es offenbart sich ein System der Umverteilung von unten nach oben auf Kosten der Menschen in den Kommunen und vor allem der Familien. Wie funktioniert es? Sozialen Pflichtaufgaben, von Kinderbetreuung bis zur Sozialhilfe, werden von den Landes- und Bundesregierungen nur zum Teil ersetzt. Dann sind noch die Einnahmen der Gewerbesteuer uneinheitlich. Das Niveau der Daseinsvorsorge ist von der zufälligen Ansiedlung von Unternehmen abhängig. Beides muss zu unterschiedlichen Lebensbedingungen in den Kommunen führen. In einem der reichsten Länder der Welt verfallen Städte. Auch die gewaltigen Hilfspakte, die die Bundesregierung aufgelegt hat, dienen nicht den Kommunen. Weder werden die Altschulden niedergeschlagen, noch werden Voraussetzungen für gleiche Lebensbedingen, egal wo man in Deutschland lebt, geschaffen.
Die Logik dieser Hilfspakte ist eine andere. Wenn über 10 Milliarden für die Lufthansa bereit stehen, diese aber dennoch 10.000 Arbeitsplätze vernichten darf, dann zeigt das auch hier: Es geht nicht um die Menschen. Deswegen bleibt es auch bei der bisherigen Gemeindefinanzierung und soll es nur für einJahr eine Kompensation für die Gewerbesteuerausfälle geben. Wenn Herr Truger nun fordert, das Land NRW soll für weitere Jahre die Gewerbesteuerausfälle, die in Folge der Krise noch steigen werden, übernehmen, ist das noch keine Änderung im System. Die Politik der vorsätzlichen Verschuldung der Kommunen ist Teil des Systems der Umverteilung von unten nach oben. Mit den bisherigen politischen Verhältnissen ist das nicht zu ändern. Um so mehr müssen sie bekämpft werden, anstatt an die zu appellieren, die dieses System aufgebaut haben und es unter allen Umständen erhalten wollen.
Achim Czylwick
Ratsmitglied und Spitzenkandidat von AUF Witten