Die Sparlügner
Von Romeo Frey – Sprecher im Vorstand von AUF Witten
Liebe Leserinnen und Leser,
je voluminöser die Rettungsschirme für die Banken, desto mehr soll das gemeine Volk sparen. Schon 1844 brandmarkte Heinrich Heine diese Methode: „... sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser.“ Verschwendung und Selbstbedienungsmentalität der führenden Eliten sind aber nur eine Seite.
Hauptsächlich dient das Spar-Motto der Umverteilung des vom Volk erarbeiteten Reichtums hin zum Finanzkapital. In Witten werden als Begleitmusik zum geplanten Kahlschlag mit Abbau weiterer 100 Stellen im Rathaus Sparvorschläge der Bürger eingeholt. Dabei wird nur veröffentlicht, was nicht an die Wurzel des Übels geht. Die dringend notwendige Neuordnung der kommunalen Finanzierung, unter anderem mit einem Schulden- und Zinsmoratorium, wie seit Jahren von AUF Witten gefordert, wird penetrant totgeschwiegen.
Auch im Landtagswahlkampf NRW mit inhaltsleeren Wahlplakaten: Klare Kante ... aus den Augen der Kinder ... für hier mit Dir ... statt Schulden ...
In den Wahlreden wird einhellig fürs Sparen geworben mit Allgemeinplätzen „Auf Dauer kann man nicht mehr ausgeben, als man zur Verfügung hat“. Wohl wahr, aber durch Bund und Land werden die Kommunen gezwungen, mehr auszugeben, als sie einnehmen.
Als größter Kostentreiber erwiesen sich die Hartz-Gesetze, die zu Lasten der Kommunen finanziert werden. Das hatte AUF Witten gleich 2004 enthüllt und deshalb die Montagsdemo initiiert.
Wir forderten die Bürgermeisterin auf, sich dem Protest gegen die Hartzgesetze anzuschließen und im Rat der Stadt eine Aussprache durchzuführen. Bis zum heutigen Tage wird einer solchen Aussprache ausgewichen, während der Kämmerer jedes Jahr brav Millionen Euro im zweistelligen Bereich für Kreditzinsen an die Banken überweist. Im Jahr 2015 ist in Witten ein städtischer Schuldenberg von rund einer halben Milliarde Euro zu erwarten.
Bei solchen Größenordnungen versagt die Vorstellungskraft, mit der man im Alltag auskommt. Nur so kann ich es mir erklären, dass Vorschläge wie „10 Prozent auf alles“ oder der Ruf nach mehr „Knöllchen“ für Hundbesitzer zur Lösung der Schuldenfalle ernsthaft in Betracht gezogen werden.
Selbst mit einem kompletten Personalabbau aller städtischen Beschäftigten (ein surrealistisches Gedankenspiel) könnte man diesen Schuldenberg nicht mehr abbauen. Dabei wäre ein vollständiger Schuldenerlass und eine vollständig gegenfinanzierte Neuordnung der kommunalen Finanzen mit den Milliarden für Rettungsschirme und Bad Banks problemlos zu finanzieren. Man würde nur das Geld, das sich die Banken von der Allgemeinheit geholt haben, wieder zurückbringen.
Hier schließt sich der Kreis zur Landtagswahl. Wer im Land regieren will, darf die Profite der Banken nicht antasten – die sind tabu! Also auch keine Stellungnahme gegen Hartz IV und keine Lösung der kommunalen Finanzkrise durch Schuldenschnitt und Zinsmoratorium. Dass diese Kandidaten vor Ort dasselbe Parteibuch haben wie im Land und im Bund, macht sie als Sachwalter kommunaler Daseinsfürsorge nicht gerade glaubwürdig.
Diese Parteivertreter versuchen bei der Wahl eine Akzeptanz beim Volk zu schaffen, dass es noch mehr verzichten und noch mehr zur Kasse gebeten werden soll, weil ja angeblich kein Geld da sei.
Das Geld aber ist nicht weg – es hat nur jemand anders, nämlich die Hochfinanz und Großindustrie. Mit dieser Klarheit im Kopf lassen wir uns die Butter nicht vom Brot nehmen – egal wer uns künftig regiert.