Personalkosten Schuld an der Finanzkrise der Stadt?
Interview mit Lothar Zimmer, Vorsitzender des Personalrats der Stadt Witten
Für die Verschuldung der Kommunen werden gerne die Lohn- und Gehaltsforderungen der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst verantwortlich gemacht. Entsprechend wird der forcierte Personalabbau mit der kommunalen Verschuldung begründet. In Witten „fehlen“ plötzlich rund 2,4 Millionen Euro, weil im Haushalt ein niedrigerer Tarifabschluss einkalkuliert worden war. Die Bürger sollen das mit Kürzung oder Verteuerung kommunaler Leistungen, die Beschäftigten mit Personalabbau ausbaden. Dazu befragten wir den Vorsitzenden des Personalrats der bei der Stadt Witten tätigen Beschäftigten, Lothar Zimmer.
Stimmt die Behauptung, die Personalkosten seien Schuld an der Krise der kommunalen Finanzen, was sagen Sie zur Meldung über die jetzt fehlenden 2,4 Millionen Euro?
Die von den Vertretern der kommunalen Arbeitgeberverbände aufgestellte und in gewissen Medien kolportierte Behauptung, der Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes führe zwangsläufig zu einem verstärkten zusätzlichen Personalabbau, bedeutet letztendlich, die weitere Verschuldung der Kommunen den Beschäftigten und den Gewerkschaften anzulasten.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sich in der Gehaltsentwicklung im Vergleich zu anderen Branchen in den letzten 10 Jahren am unteren Ende der Gehaltsentwicklung befanden. Selbst im europäischen Vergleich rangierte der öffentliche Dienst im untersten Drittel der europäischen Lohnentwicklung.
Insofern war der Tarifabschluss mehr als überfällig. Gute Arbeit muss auch anständig bezahlt werden, denn der öffentliche Dienst ist es wert.
Die 2,4 Millionen Euro inkl. der Besoldungserhöhung für die Beamtinnen und Beamten, die es der Stadt Witten dann kosten würde, sind auch als Beitrag zur Stärkung der Kaufkraft in Witten anzusehen. Davon profitieren letztendlich Industrie und Handel.
Die Behauptung, dass unter anderem die zu hohen Personalkosten Schuld an der Finanzkrise der Kommunen sein sollen, ist schlichtweg falsch. Richtig ist: Die „Steuerreformen“ der letzten Jahre auf Bundesebene (ab Mitte der 90’er Jahre) haben den Kommunen Milliarden Verluste bei den Einnahmen beschert, zuletzt durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit 1,6 Milliarden jährlich.
Wie man sehen kann, handelt es sich bei der Finanzkrise der Kommunen nicht um ein Problem zu hoher Personalkosten, sondern um ein Steuerverteilungssystem des Bundes und auch der Länder zu Lasten der Kommunen.
Daher hat der Bürger auch in Witten einen Anspruch auf gut ausgebildete und entsprechend bezahlte Fachkräfte in allen Bereichen der kommunalen Daseinsfürsorge.
Wie viel Personal wurde bisher abgebaut und was hat es an der Verschuldung geändert?
In den letzten 15 Jahren wurden ca. 900 Stellen bei der Stadt Witten abgebaut. Diese Stellen gingen dem Arbeitsmarkt für immer verloren. Rückblickend muss gesagt werden, dass trotz dieses Stellenabbaus die Verschuldung der Stadt Witten nicht aufgehalten wurde, sondern sich noch verschärft hat. Dies macht deutlich, dass nicht die Personalkosten Verursacher der Finanzkrise sind, sondern eine verfehlte Steuerpolitik des Bundes dafür verantwortlich ist.
Welche Auswirkungen würde eine weitere Ausdünnung des Personals auf die Wittener Bevölkerung, auf den Arbeitsmarkt, insbesondere für Jugendliche haben?
Ein weiterer Personalabbau würde für den Bürger bedeuten: Einschränkung von Dienstleistungen unterschiedlichster Art. Im schlimmsten Fall: Auslagerung/Privatisierung von Aufgaben zum Nachteil der Bürger.
Darüber hinaus muss der Bürger mit Erhöhungen von gemeindlichen Steuern, Gebühren und Beiträgen rechnen.
Bisher bildet die Stadt Witten bedarfsgerecht aus und es erfolgt bei erfolgreichem Abschluss der Ausbildung eine unbefristete Übernahme.
Dies ist im Konsens mit Politik, Bürgermeisterin, Verwaltungsvorstand, Personalrat, der Jugend - und Auszubildendenvertretung verhandelt bzw. vereinbart worden. Ich gehe davon aus, dass dies auch in Zukunft so sein wird.
Was ist aus Ihrer Resolution „Kommunen in Not“ geworden und welche Reaktionen gab es darauf?
Auf die Resolution der Beschäftigten der Stadt Witten zum „Stärkungspakt Stadtfinanzen NRW“ beschlossen auf der Personalversammlung am 6.12.2011 haben wir positive Stellungnahmen von der SPD-Fraktion, der Fraktion der Linken und dem Ratsmitglied für AUF Witten, Achim Czylwick, erhalten. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen für die positiven Stellungnahmen bedanken.
Was halten Sie von der Forderung von AUF Witten, die kommunalen Finanzen grundsätzlich neu zu regeln? Dazu gehört neben einer reellen Gegenfinanzierung der von Bund und Land gestellten Pflichtaufgaben auch ein Schulden- und Zinsmoratorium, um die Schuldenfalle aufzulösen.
Ein Schulden – und Zinsmoratorium ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ein „Rettungsschirm für Kommunen“ ist daher nicht nur notwendig sondern unabdingbar.
Vielen Dank für das Interview!
Anmerkung der Redaktion: Die Resolution „Kommunen in Not“ ist dokumentiert hier dokumen Überregional finden sie unter: www.alternative-kommunalpolitik.de warum der Stärkungspakt in Wahrheit ein Sparzwang auf Kosten der Bürger ist. Mit unserem Eintreten für die Beschäftigten der Stadt verzichten wir nicht auf Kritik an Behördenleitung und Führung, an Inkompetenz und Desinteresse. (siehe auch Seite 8/9 – „Der Fisch stinkt vom Kopfe her!“) |
Kernpunkte der Resolution der bei der Stadt Witten Beschäftigten
Die Beschäftigten und der Personalrat der Stadt Witten erwarten daher vom Rat der Stadt Witten:
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